Die Schneckenh/ausfahrt. Oder: Die Häuslichkeit der Landschaft

Hinter der künstlerischen Videoarbeit „Die Schneckenh/ausfahrt. Oder: Die Häuslichkeit der Landschaft“ (2024) verbirgt sich eine intensive Auseinandersetzung mit der lokalen Landschaftserfahrung. Unabdingbar ist dabei auch die Art und Weise der Erfahrung, nämlich in Form der sogenannten Schneckenhausfahrt, welche das Transportmittel selbst zur eigenen Behausung macht. Die Schärfung der Wahrnehmung verengt sich auf die Häuslichkeit der Landschaft in der sich bewegt wird. Im nachfolgenden dazu einige Gedanken zur Häuslichkeit.

Wege erheben sich ganz grundsätzlich als Symbol einer unaufhörlichen Reise. Die Pfade, exzentrisch und grenzenlos, treiben in die Ferne, ungehindert durch die Schranken der Zeit oder des Raumes. Wie Schiller einst dichtete: „Jede Straße führt ans End‘ der Welt,“ so hebt sich in jedem Schritt das Unterwegsein heraus. Diese Wege streben rastlos vorwärts, sie durchziehen die Landschaften und führen in ihre tiefste Häuslichkeit, wie Rilke es beschrieb. Doch in dieser Häuslichkeit offenbart sich eine paradoxe Dualität: Während der Weg uns fortzieht, bleibt das Haus als stiller Anker bestehen, ein Zufluchtsort inmitten der endlosen Bewegung. Die Straßen, die uns in die Zukunft drängen, versuchen uns mit immer wachsender Geschwindigkeit zu verführen, und wir, unaufhaltsam, eilen ihnen nach, oftmals ohne Rücksicht auf die Vergänglichkeit des Augenblicks. Zwei Polaritäten bestimmen unser Dasein: der Gegensatz von Weg und Haus, von Bewegung und Stillstand. Innerhalb des Weges selbst existieren weitere Polaritäten, die uns zum Wandern und Einkehren, zum rastlosen Reisen und doch zur sehnsüchtigen Heimkehr zwingen. Nie sind wir ganz bei uns selbst, nie ganz zu Hause. Der Weg ist unser Begleiter und auch unser ewiger Widersacher, ein Spiegel unserer inneren Zerrissenheit und zugleich ein Zeuge unserer Sehnsucht nach Vollendung.

In der Selbsterfahrung der Landschaft erkennen wir diese duale Natur. Orte werden erkundet, ihre Geheimnisse (durch Photo und Video) dokumentiert, um die Häuslichkeit der Landschaft zu realisieren, näher zu beobachten und zu bewerten. An schönen Orten verweilen wir, um ein wenig einzuhausen, die Nacht zu verbringen und von der Ruhe der Natur Teil zu haben. Doch die Straßen rufen, sie wollen bewandert und er-fahren werden, ihr Sog und die Versuchung der Geschwindigkeit sind stets präsent. Es ist eine bewusste Entscheidung, dem Drang zu widerstehen, sich nicht blindlings der Geschwindigkeit hinzugeben. In dieser Balance zwischen Bewegung und Verweilen, zwischen Rastlosigkeit und Ruhe, offenbart sich die bewusste Auseinandersetzung mit der Raumerfahrung. Der Weg ist nicht nur – wie das Sprichwort sagt – das Ziel, sondern auch die Reise selbst von Gedanken und Augenblicken, die uns durch die Weiten der Landschaften und die Tiefen unserer Seele führen.